Dr.
Karl-Hermann Simon
Ein Porträt von Veiko Kunkis Entnommen aus: Neues Deutschland vom 21.01.2008, S.18 Manche können auch mit 77 noch nicht richtig loslassen. Dr. Karl-Hermann Simon ist so einer. Der Forstwissenschaftler aus Eberswalde arbeitet mit Gleichgesinnten seit 1981 an dem mehrsprachigen Forst-Fachwörterbuch „Lexicon silvestre“. Seine Frau Inge, 79, unterstützt ihn dabei schon viele Jahre lang. Unvorstellbar für die beiden, die auch aktive Mitglieder der Linken sind, mit der Arbeit aufzuhören. Doch wenigstens die Federführung ihres Lebenswerkes wollen sie nun in die Hände der nächsten Generation legen. Das haben sie beschlossen. Das ND hat das ungewöhnliche Paar ihn Eberswalde besucht. Wie ein klassisches Senioren-Zuhause mutet die Altbau-Wohnung der Simons im Eberswalder Dichterviertel nicht an. Deckenhohe Bücherregale, Schreibtisch, Manuskriptstapel. Es riecht nach Arbeit. Karl-Hermann Simon erwartet mich in seinem Lehnsessel. Seit einem schweren Sturz mit dem Fahrrad im vergangenen Jahr fällt ihm das Laufen nicht mehr leicht. |
Stolz zeigt er mir einen Brief, den er unlängst von Wera Blanke von der Gesellschaft für Linguistik erhalten hat. Das „Lexicon silvestre“ habe sich zu einem Unternehmen entwickelt, das große Beachtung findet, schreibt sie. Die Anzahl der vorgelegten Bände sei beeindruckend, das hohe terminologische Niveau habe anerkannten Modellcharakter. Karl-Hermann Simon tun die lobenden Worte sichtlich wohl.
Noch unter dem Dach des Kulturbundes in der DDR gestartet, wurde das Projekt des Forst-Fachwörterbuches „Lexicon silvestre“ seit 1993 von einem gleichnamigen Förderverein unter seinem Vorsitz fortgeführt. Das „Lexicon silvestre“ ist kein gewöhnliches Wörterbuch. Es baut auf dem Prinzip von Begriffen und deren Definition auf. Jedem Begriff ist eine neunstellige Nummer zugeordnet, mit deren Hilfe sich die Definition in der gewünschten Sprache finden lässt. Für das „Lexicon silvestre“ wurde das Oxford-System der Dezimalklassifikation für das Forstwesen weiterentwickelt. „Ziel des Lexicon silvestre ist es, die internationale Verständigung unter Fachleuten der Forstwirtschaft, Holzwirtschaft, Landschaftsnutzung und dem Naturschutz zu verbessern“, sagt Karl-Hermann Simon. „Wir wollen mit dem Lexicon erreichen, dass Nutzer, gleich welcher Sprache, immer die Möglichkeit haben zu erkennen, welcher Sinn mit dem ausgewählten Terminus verbunden ist.“
Die Idee zu diesem Forstwörterbuch war bereits um 1980 auf der DDR-Landwirtschaftsausstellung Agra in Markkleeberg durch eine Anregung bulgarischer Freunde entstanden, erinnert sich Karl-Hermann Simon. Er sei schon damals begeisterter Esperantist gewesen. Die erfundene Sprache Esperanto habe sich wegen ihrer Eindeutigkeit besonders gut geeignet, um als Basis für ein mehrsprachiges Wörterbuch zu dienen. Sein Sprachinteresse - auch Inge Simon begeistert sich inzwischen für Esperanto - verschaffte dem Paar internationale Kontakte zu gleichgesinnten, was schließlich die ersten Schritte zum Lexikon ermöglichte.
Bis heute laufen die weltweiten Fäden der ehrenamtlichen Übersetzer und Redakteure des Wörterbuches in der Eberswalder Wohnung der Simons zusammen. Inge Simon hat über all die Jahre vor allem die Korrespondenz geführt. Kein leichtes Unterfangen, denn in der Zeit vor dem Internet „wanderten“ die Datensätze auf Papier durch die Welt.
So sollten von der Idee bis zum Erscheinen der ersten Probeausgabe dann auch noch über zehn Jahre vergehen. 1992 war es dann so weit. Es wurde ein erster Band mit rund 1000 Begriffen veröffentlicht. Inzwischen liegen sieben Bände in den Sprachen Deutsch und Esperanto sowie Teilausgaben in den Sprachen Albanisch, Englisch, Estnisch, Französisch, Kroatisch, Lettisch, Polnisch, Russisch, Rumänisch, Slowakisch, Tschechisch und Türkisch vor. Weitere elf Sprachen sind in Arbeit.
Weltweit arbeiten derzeit rund 100 Forstwissenschaftler ehrenamtlich am Projekt „Lexicon silvestre“ weiter. Schließlich sollen einmal 10.000 Begriffe in 25 Sprachen übersetzt sein. Auch Inge und Karl-Hermann Simon werden das Projekt nach Kräften weiter begleiten. Die Schuhe, die sich der neue Vorstand unter dem Vorsitz von Dr. Bernhard Götz anziehen muss, sind noch ganz schön groß. Aber ihr Erbe, da sind sich die Simons sicher, liegt jetzt in den richtigen Händen.